Prof. Otto Bayer präsentiert seine Erfindung: das Polyurethan, heute fester Bestandteil vieler Mittelsohlen. Foto: Bayer AG / Alamy.com
Ein Blick auf die Schuhwand im Fachhandel reicht und es wird klar: Laufschuhe unterscheiden sich nicht nur nach Marke, Modell oder Farbe. Unterschieden wird vor allem auch nach der Sohlentechnologie. Denn beim Laufen selbst ist es entscheidend, dass der Laufschuh die Wünsche der Läufer*innen erfüllt: nach mehr Komfort, mehr Performance – oder weniger Verletzungsrisiko. Vier verschiedene Sohlentechnologien bestimmen derzeit die Wände in den Fachgeschäften. Jede mit einem eigenen Ansatz. Aus welchen Gründen wurden sie entwickelt und wie unterscheiden sie sich voneinander?
1980er-Jahre: das Laufen wird zum Breitensport, die Laufbegeisterung wächst rasant. Hunderttausende Sportbegeisterte entdecken ihre neue sportliche Leidenschaft: Bewegung an der frischen Luft, allein oder gemeinsam in der Gruppe. An jedem Ort, zu jeder Zeit. Der Laufboom erreicht die Menschen. Kein Wunder.
Bereits in den Jahren zuvor waren die ersten Laufschuhe entstanden, damals noch für Athleten und Athletinnen (→ Kapitel 1: Warum wir in Laufschuhen laufen). Der aufkommende Laufboom führte nun auch bei den Sportmarken selbst zur Initialzündung für die Entwicklung der ersten funktionellen Laufschuhe. Mehr Läuferinnen und Läufer bedeuteten zunächst auch eine gestiegene Anzahl laufbedingter Beschwerden und Verletzungen. Die Folge: Investitionen in Forschung und Entwicklung, in Personal und Wissenschaftler. Die Laufschuhhersteller versuchten, ihre Schuhe an die Bedürfnisse der Hobbyläufer*innen anzupassen.
Dafür wurde geforscht, gemessen und analysiert. Die Erkenntnis: Beim Laufen wirken Stoßbelastungen auf den Körper, die von der Muskulatur und den Sehnen nicht effektiv aufgefangen werden können. Diese sogenannten passiven Kraftspitzen wirken nach dem Aufprall der Ferse auf den Boden in weniger als 50 Millisekunden auf den Körper ein. Zu schnell für den Körper, um aktiv darauf reagieren zu können – und dieser Krafteinwirkung beispielsweise durch das Anspannen von Muskeln etwas entgegenzusetzen.
Für die Forscher und Entwickler war klar: Laufschuhe sollten genau hier unterstützen – als Stoßdämpfer, um Überbelastungen des Körpers zu vermeiden. Unter dem Begriff „Impact Cushioning“, zu deutsch Stoßdämpfung, wurden die in der Folge im Fersenbereich verbauten stoßabsorbierenden Elemente zusammengefasst. Dafür entwickelten die Schuhbauer der 80er-Jahre dämpfende Schaummaterialien aus EVA und PU. Diese Schäume klebten sie als Mittelsohlen unter den Schaft. Das Ziel: gesünderes Laufen und weniger Verletzungen.
Polyurethan-Schaum unter dem Mikroskop. Foto: Alamy.com
Biomechanische Studien befassten sich zeitgleich detailliert mit den tatsächlichen Auswirkungen der Kräfte, die beim Aufprall der Ferse auf den Boden entstehen und auf uns einwirken. Schnell merkten die Forscher, dass der menschliche Körper ein Mindestmaß an Belastungen braucht, um robust und widerstandsfähig zu bleiben.
Daraufhin verwarfen die Schuhentwickler ihre Vision des „Impact Cushioning“. Die Stoßkräfte konnten nicht mit einer höheren Anzahl von Verletzungen in Verbindung gebracht werden. Doch der damit einhergehende Komfortgedanke blieb bestehen. Bis heute. Zu begeistert waren die Läufer*innen von dem angenehm weichen Laufgefühl.
„Impact Cushioning“ entpuppte sich also als Einbahnstraße. Die Verletzungsraten unter Läufern und Läuferinnen stagnierten auf einem hohen Niveau.
Anders die Computertechnologie: Die Technologien zur Analyse von Laufstilen entwickelten sich in dieser Zeit rasant weiter. Und so dauerte es nicht lange, bis in den 1990er-Jahren die ersten Hochgeschwindigkeitskameras in den Lauflaboren zum Einsatz kamen. Dort zu sehen: das Nachinnenknicken des Fußgewölbes beim Laufen – die Pronation –, bedingt durch eine sogenannte Rückfußeversion. Bei extremer Ausprägung, der Überpronation, ging man in der Folge von einer dadurch ausgelösten Innenrotation des Schienbeins aus, die schädliche Drehkräfte im Knie verursachen könnte.
Um dies zu verhindern, verbauten Laufschuhentwickler an der medialen Innenseite der Mittelsohle einen Keil aus hartem Material. Das Ziel: mehr Stabilität, weniger Nachinnenknicken. Die Support-Technologie war geboren. Sie sollte zunächst vor allem jenen Läufern und Läuferinnen zu helfen, die unter einer maximalen Ausprägung der Überpronation litten. Ein orthopädischer Ansatz.
Mittelsohle eines Laufschuhs mit einem Keil aus festem Material auf der medialen Innenseite, die sogenannte Pronationsstütze.
Ändern sollte sich das zur Jahrtausendwende. Nun ging es nicht mehr nur darum, ein abnormales Nachinnenknicken zu verhindern, sondern auch, die Geschwindigkeit zu verlangsamen, mit der der Fuß nach innen knickte. Der Vormarsch pronationsgestützter Laufschuhe nahm seinen Lauf – während gleichzeitig die Forschung an dieser Technologie abnahm.
Das Ausbleiben wissenschaftlicher Ergebnisse, die einen Zusammenhang zwischen Laufverletzungen und einer reduzierten Rückfußeversion zeigen konnten, machte stutzig. Und befeuerte die Entwicklung einer weiteren Mittelsohlentechnologie.
Parallel zu den gestützten Stabilschuhen verankerte sich der Begriff der Neutralschuhe als Bezeichnung für alle Laufschuhe, in denen keine Pronationsstütze verbaut war. Anders als bei pronationsgestützten Laufschuhen lag der Fokus der Entwicklungsabteilungen nicht auf der Reduktion von Laufverletzungen, sondern vielmehr auf der Verbesserung des Komforts für alle Läufer*innen. Die Folge: Marken und Schuhbauer packten immer mehr Dämpfungsmaterial unter den Schaft. Die Mittelsohlen wurden wuchtiger und wuchtiger – für ein angenehmes, abfederndes Laufgefühl.
Bis heute entstehen aus diesem Grund Neutralschuhe. Viele lieben die aufgeblähten Sohlen. Einige allerdings nicht – und so startete 2009 eine Gegenbewegung: das Barfußlaufen.
Vor dem Hintergrund der immer dick und dicker werdenden Laufschuhsohlen für noch mehr Komfort entwickelte sich eine neue Bewegung. Mit einem vollständig gegensätzlichen Ansatz: weg vom herkömmlichen Laufschuh, hin zu mehr nacktem Fuß auf dem Boden.
Spätestens mit der Veröffentlichung des Buches „Born to Run“ von Christopher McDougall im Jahr 2009 erlebte das sogenannte Barfußlaufen einen echten Aufschwung. Plötzlich liefen einige Läufer*innen barfuß – und fragten im Handel nach Barfußschuhen. Die Laufschuhhersteller machten sich an die Arbeit. Es entstanden Schuhe mit breiter Zehenbox, mit wenig bis gar keiner Dämpfung und null Sprengung. Die Sohle diente nun vor allem zum Schutz des Fußes vor spitzen Gegenständen. Das Motto: weniger ist mehr. Tausende Läufer*innen probierten den neuen Trend aus, manche liebten ihn, andere vermissten Dämpfung und Komfort oder verletzten sich sogar.
In der weiteren Entwicklung rückte für die Laufschuhindustrie die Leistungsverbesserung ihrer Topathleten immer mehr in den Vordergrund. Um diesem Ziel näherzukommen, brauchte es eine auf den ersten Blick ungewöhnlich geformte Mittelsohle: die Rocker-Technologie.
Die ersten Laufschuhe mit einer auffällig runden, fast halbkreisförmigen Form kamen Mitte der 2010er-Jahre in den Handel. In Laufschuhen schien diese Form revolutionär, doch ihr Ursprung und ihre Idee sind viele Jahre alt. Sie sollten vor allem gegen Rückenschmerzen helfen.
In Laufschuhen wurde die charakteristisch abgerundete Mittelsohle aus einem anderen Grund eingesetzt: um bequemer bergab laufen zu können. Ein abgerundeter Rückfußbereich erleichtert in diesen Situationen das Abrollen.
Mittlerweile finden wir in konvex geformten Rocker-Mittelsohlen häufig auch eine integrierte Karbonplatte. Die Platte hilft, die Schuhe in ihrer charakteristischen Form zu halten – und soll in Kombination mit der Sohlenkonstruktion für schnellere Zeiten und bessere Leistung sorgen. Etwas, was immer mehr Topathleten erreichen wollen, was für den Hobbyläufer allerdings weniger bedeutend ist oder sogar zur Überlastung des Bewegungsapparates führen kann.
Die Idee: Die eingebauten Karbonplatten versteifen das Zehengrundgelenk, was zu einem geringeren Energieverlust beim Laufen führt. Das funktioniert vor allem bei hohem Tempo. Damit allerdings über eine solche versteifte Platte abgerollt werden kann, braucht es die konvexe Form der Rocker-Technologie. Karbon und Rocker bedingen sich also gegenseitig.
Gänzlich anders ist der Ansatz, sich beim Laufschuhbau an den Funktionsweisen und Formen menschlicher Strukturen zu orientieren. Dies ist der Leitgedanke, der hinter der im Jahr 2019 präsentierten U-TECH™ Technologie steckt.
U-TECH™ ist die jüngste aller Mittelsohlentechnologien im Laufschuhmarkt. Und völlig einzigartig. Anders als andere Technologien ist bei U-TECH™ keine Unterteilung nach den Läufertypen Supinierer, Pronierer oder Neutralläufer*in nötig. Auf diese Weise funktionieren Laufschuhe mit der patentierten U-TECH™ Technologie für alle Läufer*innen gleichermaßen.
Die Mittelsohlenkonstruktion von U-TECH™ erinnert auf den ersten Blick an ein umgedrehtes Hufeisen – und ist in Form und Funktion inspiriert von den Strukturen des menschlichen Körpers. Rund und elastisch, wie das Fettpolster um die menschlichen Fersen oder die Menisken im Knie: um Belastungen zu senken und Verletzungen zu reduzieren.
Eine Aussparung im Rückfußbereich, in die die Ferse während des Abrollvorgangs eintaucht, bildet das Herzstück der U-TECH™ Technologie. Auf diese Weise werden die beim Laufen auftretenden Kräfte zentriert und ausgerichtet – und können unschädlich gerade durch den Körper laufen wie von der Natur vorgesehen. Dieser Ansatz ist insofern revolutionär, als dass zum ersten Mal in der Laufschuhforschung nicht versucht wurde, Symptome zu behandeln, sondern an der Ursache für Beschwerden anzusetzen, um diese gar nicht erst entstehen zu lassen.
Das Vorhaben, Läufer*innen zu entlasten, ist eine Rückkehr zur ersten Idee funktioneller Laufschuhe in den 1980er-Jahren. Dieses Mal allerdings unter Berücksichtigung aller Parameter menschlicher Biomechanik – und mit dem Wissen, dass auftretende Kräfte nicht verhindert, sondern nur gelenkt werden können. U-TECH™ wurde entwickelt, um Läufer*innen sorgenfrei, natürlich und komfortabel laufen zu lassen. Und so dabei zu helfen, dass sie ihre sportlichen Ziele erreichen.
Ob Neutral, Support, Rocker oder U-TECH™, alle vier Mittelsohlentechnologien sind heutzutage im Laufschuhmarkt zu finden. Ab dem 23. Mai erfährst du im zweiten Teil von Kapitel 2 unseres Run Better Projects, welche Technologien auch das erfüllen, was sie uns Läufern und Läuferinnen versprechen. Studien liefern hierzu beeindruckende Ergebnisse.
KAPITEL 2 ________
Neutral, Support, Rocker und U-TECH™: Welche Technologie hilft, meine individuellen Wünsche zu erfüllen? Studien aus der ganzen Welt liefern beeindruckende Ergebnisse.
Unsere Technologie ist zu nahezu 100 % aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und biomechanischer Forschung abgeleitet. Maßgeblich verantwortlich dafür ist Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann, jahrzehntelanger Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule Köln. In den vergangenen 25 Jahren war er Teil zahlreicher innovativer Laufschuhentwicklungen – und damit gefragter Experte bei den Giganten der Branche.
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