17. September 2021
Immer wieder klagen Sportlerinnen und Sportler über stechende Schienbeinschmerzen beim Laufen. Das sogenannte Schienbeinkantensyndrom – in der Laufwelt besser als Shin Splints oder mediales Tibia-Stress-Syndrom bekannt – ist der Alptraum von uns Läuferinnen und Läufern. Kein Wunder, schließlich sticht das Schienbein so sehr, dass wir kaum noch joggen können. Die Folge: eine ungewollte Laufpause. Damit die Schmerzen erst gar nicht auftreten, ist es wichtig, dass Läuferinnen und Läufer die Symptome und Ursachen kennen. Was die Biomechanik unseres Körpers mit dem Schienbeinkantensyndrom zu tun hat, wann die Beschwerden auftreten und was Läuferinnen und Läufer über eine Therapie wissen müssen – darüber haben wir mit Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann und Dr. Andree Ellermann gesprochen.
Stechende Schmerzen im Schienbein: Welche Ursachen führen zu Shin Splints?
Behandlung: So stellen Ärzte die Diagnose Schienbeinkantensyndrom
Keine Schienbeinschmerzen beim Laufen: So können wir dem Tibiakantensyndrom vorbeugen
Wie aus dem Nichts tritt er auf – der stechende Schienbeinschmerz beim Laufen. Nicht immer sind die Beschwerden so stark, dass die Betroffenen ihre Laufrunde abbrechen müssen. Manchmal ebbt der Schmerz so schnell ab, wie er gekommen ist. In den meisten Fällen jedoch quält er die Läuferinnen und Läufer. Und dann möchten sie nichts anderes, als die Einheit so schnell es geht zu abbrechen.
Das Problem: Beansprucht der Läufer sein Bein nicht, spürt er auch kein Stechen im Schienbein mehr. Viele verleitet das dazu, ihre Beschwerden zu verdrängen. Die Folge: Betroffene trainieren weiter wie gewohnt. Nicht verwunderlich. Denn wer möchte schon freiwillig eine Trainingspause einlegen, wenn es gar nicht nötig erscheint? Doch das ist fatal – und kann in einer noch viel längeren Zwangspause enden.
Eines der typischen Symptome für das in der Fachsprache Tibiakantensyndrom (vom lateinischen tibia, dem Schienbeinknochen) oder mediales Tibia-Stress-Syndrom (MTSS) ist der beschriebene stechende Schmerz während der Belastung, der in Ruhephasen wie von selbst verschwindet. Ignorieren Betroffene diesen und trainieren weiter, verstärkt sich der Schmerz. Viel schlimmer: Das Ignorieren führt gar dazu, dass die Schmerzen auch nach der Laufeinheit bleiben. Die Stelle am Schienbein der Betroffenen reagiert nun auch schon in Ruhephasen empfindlich, meist schon bei leichtem Druck. Schreitet das Syndrom weiter voran, spüren sie Unregelmäßigkeiten und Schwellungen im unteren Drittel der Innenseite des Schienbeins.
Welcher strukturelle Auslöser nun tatsächlich hinter diesen Symptomen steckt, ist nicht eindeutig bewiesen. Deswegen sprechen Mediziner von einem Syndrom. Sportmediziner vermuten heutzutage eine Reizung oder Entzündung der Knochenhaut, Fasziopathien oder eine reduzierte Knochenmineralisierungsdichte und Knochenreparaturfunktion durch eine Überbelastung.
Die Erkenntnisse der Sportmedizin lassen vermuten, dass der wohl häufigste Grund für ein Schienbeinkantensyndrom eine klassische Überbelastung ist. Und die kommt schneller, als so manche Läuferinnen und Läufer denken.
Erhöhen sie nämlich plötzlich ihren Trainingsumfang, die Laufgeschwindigkeit und -intensität oder wechseln abrupt den Bodenbelag, endet dies nicht selten mit einer Überbelastung. Aber auch muskuläre Dysbalancen, eine Fehlstellung des Fußes sowie falsche oder abgetragene Laufschuhe können das Schienbeinkantensyndrom auslösen.
Gert-Peter Brüggemann, Professor für Biomechanik und Mitgründer von True Motion, erklärt, dass es am Ende eben jene Überbelastung des vorderen Schienbeinmuskels (auch: Tibialis anterior) ist, die die Schmerzen auslöst. Der Grund: Dieser Muskel liegt an der schmerzenden Stelle im unteren Drittel des Schienbeins. Nun ist genau dieser Tibialis anterior dafür zuständig, den Vorfuß anzuheben. Wenn wir bergab laufen, beanspruchen wir diesen Muskel besonders. Wir riskieren dann ein Schienbeinkantensyndrom.
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Auch Dr. Andree Ellermann, Orthopäde und leitender Arzt der ARCUS Sportklinik Pforzheim, betont, dass Läuferinnen und Läufer sich vor Überbelastungen des Schienbeinmuskels schützen sollten. Am Ende, so sagt er, gibt es viele Auslöser dieser Überbelastungen – und damit mehrere Ursachen für Shin Splints. Die Gefahr Schienbeinkantensyndrom lauert vor allem bei Sportlerinnen und Sportlern, die in ihr Training häufige Rotations- und Stop-and-Go-Bewegungen einbauen.
"Das sogenannte Schienbeinkanten-syndrom – in der Laufwelt besser als Shin Splints oder mediales Tibia-Stress-Syndrom bekannt – ist der Alptraum von uns Läuferinnen und Läufern."
Zudem können Fehlstellungen des Körpers zu Überbelastungen führen. Gerade O- und X-Beine, aber auch eine chronische Instabilität im Sprunggelenk sind hier die häufigsten Ursachen. Ein solches instabiles Fußgelenk entsteht meist dann, wenn sich Betroffene zuvor an den Innen- oder Außenbändern verletzt haben.
Gerade Läufanfänger können vom Schienbeinkantensyndrom betroffen sein. Ein Grund dafür sind zu raumgreifende Schritte beim Laufen. Um die Überbelastung des vorderen Schienbeinmuskels (Tibialis anterior) zu verhindern, kann es helfen, kürzere Schritte zu machen. „Dabei sollte der Fuß flach unter dem Körperschwerpunkt – das ist die Beckenmitte – aufsetzen“, erklärt Laufschuhentwickler Andre Kriwet.
Auch wenn wir es als passionierte Läuferinnen und Läufer nicht gerne hören: Wer unter Shin Splints leidet, sollte vorerst nicht mehr laufen. Denn das ist der erste Schritt der Therapie. Allerdings gibt es auch eine gute Nachricht: Patienten können sich auch anders fit halten. Besonders eignet sich hier das Schwimmen. Dabei trainieren Betroffene ihre Ausdauer – und schonen gleichzeitig das angeschlagene Schienbein. Ist gerade kein Schwimmbad, See oder das Meer in der Nähe, können Betroffene Fahrrad fahren – vorausgesetzt, sie können ohne Schmerzen auf die Pedale treten.
Halten die Schienbeinschmerzen trotz der Laufpause an, fragen Patienten ihre Ärztin oder ihren Arzt nach einer möglichen Behandlung. Das Problem: Obwohl es viele Ansätze gibt, das Tibiakantensyndrom zu behandeln – die Wirksamkeit der verschiedenen Behandlungsmethoden ist wissenschaftlich noch nicht bewiesen. Das gilt für Wärme-Kälte-Behandlungen (sogenannte Wechselbäder) genauso wie für Stoßwellentherapien, für Elektro- oder Ultraschallbehandlungen und für die Physiotherapie.
Auch deswegen rät Orthopäde Ellermann dazu, die Ursache der Shin Splints herauszufinden, um sie dann zu beheben. Dafür analysieren „Orthopäden die knöchernen Strukturen, die sogenannte anatomisch-funktionelle Analyse“, erklärt Dr. Ellermann. „Zusätzlich können Sportwissenschaftler eine Ganganalyse durchführen.“
Der weitere Vorteil: Medizinerinnen und Mediziner können mithilfe von bildgebenden Verfahren wie dem Röntgen, dem Ultraschall oder dem MRT ausschließen, dass andere, schwerwiegendere Verletzungen die stechenden Schmerzen am Schienbein auslösen. Solche sind beispielsweise eine Stressfraktur der Tibia oder ein Kompartmentsyndrom. Sind diese nicht die Ursachen der Schienbeinschmerzen beim Laufen, heißt die Diagnose meist: Schienbeinkantensyndrom.
"Das sogenannte Schienbeinkanten-syndrom – in der Laufwelt besser als Shin Splints oder mediales Tibia-Stress-Syndrom bekannt – ist der Alptraum von uns Läuferinnen und Läufern."
Handelt es sich tatsächlich um das Schienbeinkantensyndrom, warten die meisten Läuferinnen und Läufer nur darauf, endlich wieder ihre Laufschuhe schnüren zu können. Wann dafür der richtige Zeitpunkt ist, ist individuell allerdings sehr verschieden.
Ein entscheidendes Indiz für den Wiedereinstieg: Erst, wenn wir keine Druckschmerzen mehr am Schienbein spüren und leichte Belastungen ohne die typischen Symptome aushalten, können wir zurück auf die Laufstrecke. Wichtig ist dann, dass wir nach der Heilung unseres Schienbeinkantensyndroms nicht direkt übertreiben. Stattdessen sollten wir nur langsam die Trainingseinheiten steigern. Das ist wichtig. Denn sonst kommen die Schienbeinschmerzen bei zu starker Belastung schnell zurück. Und dann kann die Heilung im schlimmsten Fall bis zu zwölf Monate dauern.
Wie Sportlerinnen und Sportler Schienbeinschmerzen beim Laufen verhindern können – darüber diskutiert die Wissenschaft bereits seit Jahren. Die Folge: Immer wieder lesen wir von den verschiedensten, noch besseren Präventionsmaßnahmen. Dazu sollen beispielsweise stoßdämpfende Einlagen und Fersenpolster, die Dehnung der Achillessehne und speziell abgestufte Laufprogramme zählen. Allerdings: Dass eine dieser Maßnahmen hilft, ist wissenschaftlich bislang nicht bewiesen.
Doch klar ist, da sind sich Biomechaniker Brüggemann und Orthopäde Ellermann einig: Gerade Laufschuhe spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Schienbeinkantensyndroms. Laufschuhe sollten deswegen die natürlichen Dämpfungseigenschaften des Fußes unterstützen – und eben nicht durch starre Pronationskeile verhindern, dass der Fuß nach innen einknickt. Denn genau hier können die Ursachen der Symptome liegen.
Auf diesem Wissen basiert auch die Technologie der Laufschuhe von True Motion. Sie sind so entwickelt, dass sie die Hebelkräfte möglichst gering halten. Das Ergebnis: Mehr als 50 % weniger beanspruchen Läuferinnen und Läufer ihre Fußhebemuskulatur – den so häufig überlasteten, vorderen Schienbeinmuskel.
Doch die Technologie der Laufschuhe ist nicht alles. Auch darüber hinaus gibt es ein paar einfache Tipps, die die Gefahr von Shin Splints verringern können:
Dehne deine Ischiocrural- und Wadenmuskulatur: Die Wissenschaftler S. Yagi, T. Muneta und I. Sekiya haben herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen der Beweglichkeit der hinteren Oberschenkelmuskulatur und der Häufigkeit von Shin Splints gibt. Achte also darauf, regelmäßige Dehneinheiten in dein Training einzubauen. Um deinen hinteren Oberschenkel zu dehnen, kannst du beispielsweise ein Bein gestreckt auf einen Stuhl legen und dich dann mit möglichst aufrechtem Rücken nach vorne über das Bein beugen.
Vermeide es, deinen Trainingsumfang oder deine Trainingsintensität unerwartet stark zu steigern: Steigere Belastungen beim Laufen nur langsam und schrittweise. Die Erfahrungen vieler Profis zeigen: So kommst du trotz langsamerer Steigerung schneller an dein Ziel. Eine gute Alternative zu rein regenerativen Pausentagen ist es, sich einen Ausgleichssport zu suchen. Das kann zum Beispiel Schwimmen, Radfahren, Kraftsport oder Yoga sein. Aber auch alle anderen Sportarten, die die Beine weniger belasten, eignen sich bestens.
Wähle einen weicheren Untergrund für dein Training: Ein harter Untergrund beim Sport strengt deinen Körper an. Läufst du beispielsweise auf Beton oder Asphalt, müssen deine Knochen, Muskulatur, Sehnen und Gelenke viel Kraft absorbieren. Die Folge: Ein Training auf diesen Böden ermüdet deine Muskulatur schneller – und führt damit auch schneller zu Überlastungsschäden wie dem Schienbeinkantensyndrom.
Weichere Untergründe – wie Gras, Waldboden oder eine Tartanbahn – übernehmen durch ihren Federeffekt dagegen selbst schon einen Teil der Stoßdämpfung, sodass du die genannten Körperpartien weniger belastest. Verschiedene Smartphone-Apps können die Bodenbeschaffenheit deiner geplanten Laufstrecke bereits vorher anzeigen – und dir dabei helfen, deine Trainingsstrecken zu optimieren.
Trainiere dein Fußgewölbe: Das Fußgewölbe bildet eine wichtige Struktur deines Körpers. Es hilft mit seinem Aufbau, die Stöße während des Laufens abzufedern. Durch spezielle Übungen kannst du die Muskulatur deines Fußgewölbes stärken und so dem Schienbeinkantensyndrom vorbeugen: Setze dich auf einen Stuhl und lege ein Handtuch auf den Boden. Probiere nun, es nur durch die Bewegung deiner Zehen näher zu deinem Fuß heranzuziehen.
Stärke deine Hüftmuskulatur: Eine gut ausgebildete Hüftmuskulatur hilft, dass dein Körper die Stöße bei jedem Schritt gut abfedern kann. Zudem konnten Wissenschaftler in einer Studie mit 230 Teilnehmenden zeigen, dass eine zu starke Innenrotation der Hüfte das Risiko für ein Schienbeinkantensyndrom nachweislich erhöht.
Investiere in wirklich gute Laufschuhe: Welche Schuhe wirklich gut sind, hängt von deinen individuellen Wünschen ab. Deswegen hilft meist eine ausführliche Beratung im Laufladen, den für dich persönlich richtigen Schuh zu finden. „Einfach reinschlüpfen, sich komfortabel und wohlfühlen und keine Druckstellen beim Gehen spüren – das ist meist besser als jeder Fußscan“, sagt Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann.
Auch die Laufschuhe von True Motion können mit ihrer innovativen U-TECH™ Technologie helfen, dem Schienbeinkantensyndrom vorzubeugen. Der U-TECH™ Foam, ein U-förmiges Element im hinteren Sohlenbereich, sorgt dafür, dass das Knie beim Laufen zentriert und damit über dem Fuß ausgerichtet bleibt. Die U-TECH™ Technologie kann so Fehlbelastungen entgegenwirken.
Das Körpergewicht spielt bei Shin Splints eine Rolle: Dass auch das Gewicht der Sportlerinnen und Sportler das Risiko von Shin Splints steigern kann, klingt logisch. Denn dieses beeinflusst maßgeblich jene Kräfte, die bei jedem Schritt auf die Schienbeine einwirken. Eine dreijährige Studie konnte beweisen: Je höher der BMI, desto größer das Risiko für Shin Splints.
Allerdings kann auch eine eingeschränkte Nährstoffversorgung des Körpers das Schienbeinkantensyndrom begünstigen. Das passiert vor allem dann, wenn wir eine kalorienreduzierte Diät machen.
Die Ergebnisse zeigen: Bereits einfache Tipps können helfen, dem Schienbeinkantensyndrom vorzubeugen. Wenn jedoch das Schienbein bereits sticht und zwickt, hilft nur noch eine Laufpause. Diese ist – wie bereits erwähnt – allerdings nicht gleichbedeutend mit einer Sportpause. Halten die Patientinnen und Patienten sich durch Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren fit und beginnen anschließend langsam und mit dem richtigen Schuhwerk wieder mit dem Lauftraining, kommen sie oft sogar stärker aus ihrer Verletzungspause zurück. Am Ende entscheidet also die richtige Belastung.
Entdecke alle Stories von True Motion – und sei immer informiert über neue Produkte, Aktionen und Events. Kurz: Center your run!
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